Steildächer aus Stahlbetonfertigteilen in der DDR

Historie massiver Steildächer

Schon zu Beginn der Historie des Stahlbetons wurden monolithisch Steildächer errichtet. Diese Dächer wurden vor allem bei größeren Fabrik- und Geschäftshäusern angewendet. Am Ende der 1920er Jahre wurden bereits sogenannte „neuzeitliche Dacheindeckungen“ entwickelt. Zum Einsatz kamen Bimsbetonplatten, Glasbeton und Leichtsteindecken. Mit diesen massiven Eindeckungsarten wurden bis 1927 bereits über 5 Millionen m² ausgeführt. Durch die Ende der 1930er Jahre auftretende Holzknappheit im Deutschen Reich suchte man nach holzfreien Dachtragwerken. Ein Beispiel dafür war die sogenannte „Leipziger Decke“, die in der Schräge vermauert wurde.

Plattenrahmdach mit steifen Eckverbindungen

Plattenrahmdach mit steifen Eckverbindungen

Durch den Raubbau der Holzvorräte während der Nazidiktatur war wesentlich weniger Holz für das Bauwesen vorhanden. Deshalb konnte für den Wiederaufbau nicht genügend Bauholz zur Verfügung gestellt werden. Somit wurden in ganz Deutschland Dachtragwerke aus Stahlbetonfertigteilen entwickelt. Mit zahlreichen Wettbewerben wurden Dachwerke in massiver Ausführung erfunden. Im Hamburger Wettbewerb von 1947 veröffentlichte man acht massive Steildächer in verschiedenen Konstruktionen.

Massive Steildächer in der DDR

Schon Mitte der1950er Jahre begann man mit der Industrialisierung des Wohnungsbaus. Dafür wurden entsprechende Richtlinien herausgebracht. So legte man die Art der Dachneigung unter anderen mit 75 % in der Großblockbauweise 750 kp in 1957 fest. In einer Übersicht der Blockbauserien aus dem Jahre 1957 sind die Typenbauserien L1, Q3 und Q3A mit einem Steildach von 37° mit Fertigbauteilen angegeben. In der DDR einschließlich Berlin errichtete man ca. 280 000 Wohnungen mit 6,1 Mio m² Dachfläche aus Stahlbetonfertigteilen. Bei den Steildächern wurden beispielsweise das Efid-Dach, das Menzelsprossendach, das Hamad IV oder das Stössdach eingebaut. Für das Stössdachwerk wurden in einem Dokument des Spezialarchivs für Bauen in DDR unter anderem folgende Merkmale veröffentlicht:

  • kein Holzverbrauch
  • für Sattel-, Mansard-, Walm- und Kehlbalkendach geeignet, Einbau von Dachfenstern möglich
  • Dachneigung von 20° bis 60° und mehr möglich
  • große Lebensdauer
  • hohe Brandsicherheit
  • industrielle Vorfertigung
  • geringer Stahlverbrauch
  • Dachausbauten durch Einlegen von Putzträgern zwischen den Dachsparren und den Kehlbalken

Auch das Institut für Typung erfand verschiedene massive Dachtragwerke.

Leichtsteindach und Fußpunkt Dach

LeichtsteindachFußpunkt Dach

In der DDR wurden unterschiedliche Typen von Wohnungsbauserien erarbeitet. Im Typenkatalog für Hochbauten, Abschnitt 645 Dächer Serie 6455 Stahlbeton – Fertigteildach, wird ein Dachtragwerk als Warmdach beschrieben. Der Wärmedurchgangswert betrug 1/Λ = 1,2 kcal/m²h° = 1,03 W/m²k. Die meisten Wohnbauserien wurden entweder mit Flachdächern oder Steildächern errichtet. Zum Teil baute man den Dachraum als Wohnung aus. In der TGL 116-0117 aus dem Jahre 1962 sind Sparrendächer aus Stahlbeton genormt worden. Für Dachwohnungen mussten nach der DIN 4108 Ausgabe 1952 ein Mindestwärmeschutz eingehalten werden.

Historische Berechnung einer Dachschräge eines ausgebauten Dachgeschosses:

  • Anteil Sparrenfeld 90% der Gesamtfläche
  • Anteil Sparren 10% der Gesamtfläche

Wärmeleitzahlen

Innenputz (Gipsmörtel)Λ1 = 0,6 kcal/mh°
Holzwolle-LeichtbauplattenΛ2 = 0,07 kcal/mh°
StahlbetonsparrenΛ3 = 1,4 kcal/mh°
Sparrenfeld1/Λ = 0,015/0,6 + 0,05/0,07 = 0,74 m²h°/kcal
Sparren1/Λ = 0,015/0,6 + 0,05/0,07 + 0,20/1,4 = 1,34 m²h°/kcal
im MittelΛ = 1,35 x 0,9 +1,14 x 0,10 = 1,34 kcal/m²h°; 1/Λ = 0,75 m²h°/kcal
Wärmedämmgebiet 1erf. 1/Λ = 0,65 m²h°/kcal
Wärmedämmgebiet 2erf. 1/Λ = 0,78 m²h°/kcal
Wärmedämmgebiet 3erf. 1/Λ = 1,06 m²h°/kcal

Für die Wärmedämmgebiete 2 und 3 erfüllt die gewählte Konstruktion die Mindestanforderung nach DIN 4108 Ausgabe 1952.

Patente für massive Steildächer (Auswahl)

Patentinhaber Bezeichnung Patent-nummer Patent-ausgabe
Dr.-Ing. Karl Reese Massives Leichtdach DPR. 725231 1942
Hans Weiß Dachstuhl aus Stahlbetonfertigteilen DWP. 42320 1965
Hans Weiß Dachstuhl aus Stahlbetonfertigteilen mit zum Aufhängen von Dachsteinen dienenden Latten DWP. 21258 1961
Hans Weiß Dachstuhl aus Stahlbetonfertigteilen DWP. 17959 1959
Prof. Dr. Ing. Paul Mlosch
Gothar Thiel
Dachstuhl aus Stahlbetonfertigteilen DWP. 17457 1959
Adolf Bourier
Wolf-Dietrich Ketscher
Dachstuhl aus Stahlbetonfertigteilen DWP. 16891 1959
Martin Menzel DWP. 7029 1954
Martin Menzel Firstausbildung für Dächer aus Stahlbetonfertigteilen DWP. 15541 1958
Martin Menzel Dachkonstruktion aus Stahlbetonfertigteilen DWP. 45833 1966
Martin Menzel Dachkonstruktion aus Stahlbetonfertigteilen mit auf Tragelementen verlegten Rippenplatten DWP. 48869 1966
Heinrich Friedrich
Adolf Stöss
Willy Siebert
Dachstuhl aus Stahlbetonfertigteilen DWP. 1985 1952
Walter Runar Dachstuhl aus Betonfertigteilen DWP. 363 1952
Adam Prüller Dachstuhl aus Stahlbetonfertigteilen DWP. 17206 1959

DRP. = Deutsches Reichspatent
DWP. = Deutsches Wirtschaftspatent gültig in der DDR

Sparrenquerschitt Stöss-Dachstuhl

Stöss-DachstuhlSparrenquerschitt

Menzel-Sprossendach

Menzel-Sprossendach

Neben den Dächern aus Stahlbetonfertigteilen wurden im Baustoffkatalog des Ministeriums für Aufbau 1957 noch Steildächer aus Ziegeln und Betonhohlböcken angeboten. Bei einem Kostenvergleich zwischen Stahlbetondach und Holztragwerk war das Stahlbetondach um ca. 18% günstiger als das hölzerne Dachwerk.

Quellen

Fachliteratur:

  • Kersten, C.: Der Eisenbetonbau; Berlin 1907
  • David, L.: Neuzeitliche freitragende Dacheindeckungen; Berlin 1927
  • Hummel, A.: Wedler, B., Trümmerverwertung; Berlin 1947
  • Lewicki, E.: Die Montagebauweise mit Stahlbetonfertigteilen und ihre aktuellen Probleme; Berlin 1955
  • Pommer, K.: Die Montagebauweise mit Stahlbetonfertigteilen im Industrie- und Wohnungsbau, Berlin 1958
  • Wedler, B.: Berechnungsgrundlagen für Bauten; Berlin 1959
  • o. A.: Fachkunde für den Betonbauer, Berlin 1960
  • Lischka, G.: Das Bauwerk; Berlin 1960

Fachartikel:

  • Reinboth, L.: Altes Betondach energetisch saniert – Sargdeckelsanierung historischer Betondächer mit energetischer Ertüchtigung; In: dach + holzbau, Nr. 7, 2014
  • Beyer, C.; Ortlepp, S.; Naumann, T.; Ortlepp, R.: Stahlbeton – Dachtragwerke – eine typische Konstruktionsform der Nachkriegszeit; In: Bautechnik, Nr. 1, 2018

Normen:

  • TGL 116 - 0117 Ausgabe 1962 Stahlbeton- Sparren und – Windstrebe für Dachneigung 75%
  • TGL 116 - 0881 Dächer, Neigungsbereiche der Dacheindeckung

Internet:

Rechtlicher Hinweis

Die in der historischen Fachliteratur und Dokumente angegebenen Werte dienen nur für einen Vergleich. Ist infolge einer Nutzungsänderung oder eines statischen Eingriffs ein Standsicherheitsnachweis von historischen Bauteilen zu erbringen, sind der gegenwärtige Zustand und die aktuellen verbindlichen Bestimmungen zu beachten. Dies gilt auch für den Wärmschutznachweis.

Links  Kontakt  Datenschutz  Impressum